Staernwarten eröffnet! Regenreich und erleuchtend zugleich!

Ein langersehnter Traum wurde am Samstag, dem 30.10.2021 endlich Wirklichkeit: Nach zwei vergeblichen Versuchen konnten die ‚staernwarten‘ eröffnet werden. Direkt im Anschluss fand auch die erste ‚Nacht der Offenen Staernwarte‘ statt, welche sowohl von Gersbacher Bürgern als auch Astro-Freunden der Region lange erwartet wurde.

Die Vorbereitung dieses Großereignisses erfolgte in den Tagen zuvor noch bei schönstem Oktoberwetter, doch Petrus war dem Gersbacher Sternenhimmel nicht geneigt. Der Feiertag war von Wolken verhangen, welche dann auch Regen mit sich brachten. In kürzester Zeit wurden daher Pavillon-Zelte organisiert und von Schülern im Fließbandverfahren aufgebaut. Für den geplanten Astroparcours mietete das Organisations-Team (Herbert Weniger, Pirmin Gohn, Thilo Glatzel und Hermann Klein) kurzfristig eine Parzelle im angrenzenden Weideschuppen an.

Für die Eröffnung war in der historischen Schanze Gersbach vom ortsansässigen Sportverein am Tag zuvor ein Festzelt errichtet worden. Bei bereits einsetzendem Regen wurde kurz vor Beginn der Feierlichkeiten noch schnell eine Plane organisiert, um die vor dem Festzelt stehende Leinwand zu schützen.

Mit einem Gongschlag und einem ‚Aller guten Dinge sind Drei‘ eröffnete der Moderator Martin Löw um 16 Uhr den feierlichen Teil der Veranstaltung. Ein von Schülern gedrehter dreiminütiger Sternwartenfilm (download hier) zeigte zunächst Lage, Ausstattung und Zielsetzung der Schülersternsternwarte. Es folgten Grußworte der Gersbacher Ortsvorsteherin Frau Ann-Bernadette Bezzel, des ersten Vorsitzenden des Lörracher Schülerforschungszentrums Herrn Jörg Lutz und der beiden Hauptsponsoren, Familie Busch (Busch Vacuum Solutions) und Herrn Stefan Jorda (Wilhelm und Else Hereaus Stiftung). 

Ein Highlight der Eröffnungsveranstaltung war dann der Vortrag der Schüler Annalotta Hipp, Johanna Hipp und Nicholas Dahlke. Sie berichteten über den Nachweis von Exoplanten mit den neuen Gersbacher Teleskopen. Die drei Achtklässler hatten damit im Jahre 2021 unter anderem den Landeswettbewerb bei Jugend forscht gewonnen. Den wissenschaftlichen Festvortrag mit dem Titel ‘Das James Webb Teleskop’ hielt Oliver Krause vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Dieses oft als Nachfolge des berühmten Hubble-Teleskops bezeichnete Infrarot-Weltraum-Teleskop wird nach zwanzigjähriger Entwicklungsarbeit und etlichen Startverschiebungen im kommenden Dezember hoffentlich wohlbehalten in den Weltraum abheben. Am Schluß der Festveranstaltung erläuterte Projektleiter Hermann Klein das pädagogische Konzept des staernwarten Projektes. Er dankte der anwesenden Frau Carolin Liefke vom Haus der Astronomie für die Ausleihe von Teleskopen in den Jahren zuvor, der Gemeinde Gersbach und allen weiteren Beteiligten für ihr finanzielles und persönliches Engagement. Um der inzwischen vom nassen Zeltboden aufkommenden Kälte zu trotzen, wurde den Anwesenden von SchülerInnen Decken und Tee gereicht, welche dankbar angenommen worden sind.

Bei Regen ging es dann zu Fuß vom Festzelt in der Schanze zur direkt benachbarten staernwarte. Feierlich wurde unter dem Applaus der Schüler das orangene Eröffnungsband durchtrennt. Nun endlich durfte die staernwarte von den Festgästen betreten werden. Zeitgleich hörte der Regen auf und wie von Geisterhand bzw. Schülerhand öffnete sich das Dach, um den Blick – nein, leider nicht auf die Sterne – auf die Wolken freizugeben. Einer der Anwesenden bemerkte treffend, ‚staernwarte’ heiße eben heute auf die Sterne warten. Der sofort wiedereinsetzende Regen ließ jedoch das Warten an diesem Abend vergeblich erscheinen.

Ab 18 Uhr begann die erste ‚Nacht der Offenen Staernwarte‘. Das Interesse war überragend. Sofort zu Beginn bildeten sich trotz Dauerregens lange Warteschlangen vor dem Observatorium. Der bei dem Projekt aktiv eingebundene Amateurastronom Herbert Weniger zählte in den folgenden drei Stunden ganze zwanzig Sternwarten-Führungen a zehn Personen. Geduldig erläuterte er immer wieder die präzise Nachführung der Montierung (10micron GM 3000 HPS) und die Funktionsweise der hierauf montierten großartigen Spiegel- und Linsenteleskope (planewave CDK 17” ,TEC APO 140 mm). Die eigentlich für Live-Beobachtungen vorgesehenen herbstlichen Himmelsobjekte wie das Doppelsternsystem Albireo, unsere Nachbargalaxie Andromeda und der Wildentenhaufen (ein offener Sternhaufen) wurden kurzerhand per PowerPoint auf dem im Teleskopraum vorhandenen Bildschirm präsentiert.

Offiziell wurden an den coronabedingten und von Schülern kontrollierten Einlassstellen über 300 Astrointeressierte gezählt. Diese waren angesichts der Wetterlage zunächst eher skeptisch eingestellt, bei Verlassen des Geländes jedoch vollkommen begeistert, sowohl von der Organisation, dem Rahmenprogramm, als auch von den fantastischen Teleskopen.

Der eigentlich direkt vor der Sternwarte geplante astronomische Parcours war hierfür kurzfristig in den Weideschuppen verlegt worden. Umrahmt von Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Geräten gaben phaenovum-Schüler anhand einer Baader-Planentariumskugel und allsky-Aufnahmen eine ‚Orientierung am Nachthimmel’, erläuterten mit Hilfe von Spektroskopen die physikalische Bedeutung der Farben von Sternen und stellten neue Astroforschungsprojekte wie den Sonnenspektrographen ‚solaex’ oder auch die zukünftige remote-Steuerung der Gersbacher Teleskope vor. Angesichts des wolkenverhangenen Himmels konnten die den Parcours besuchenden Kinder in den mobilen Teleskopen der Sternwarte leider nicht Jupiter und Saturn beobachten, sich aber immerhin über die im Blick durchs Okular riesig erscheinenden LED-Leuchten der Gersbacher Windräder wundern. Ein von einem kleinen Jungen kurz ausgestoßener Jubelschrei über einen vermeintlich in einem 8‘‘-SC-Teleskop entdeckten Stern am Nachthimmel erwies sich leider als Trugschluß. Darüberhinaus stellte sich der phaenovum Fachbereich Physik mit Projekten aus Wettbewerben wie dem International Young Physicists’ Tournament (IYPT) vor.

Auf reges Interesse stieß bei den Besuchern auch das von einer Schülerin vorgestellte Radon-Forschungsprojekt, da es ganz aktuell in eine Gersbacher Debatte zu einer neuen Absauganlage im Kindergarten und Rathaus passte. Einige Amateurastronomen (herzlicher Dank an Daniel Stahr, Wolfgang Barth und Michael Natschke für ihr Mitmachen) hatten zusätzlich ihre gewaltigen Dobson-Teleskope und Großferngläser aufgestellt und ergänzten so den astrophysikalischen Parcours der Schüler. Die Anerkennung der Qualität der Schülerprojekte durch die erfahrenen Amateurastronomen spiegelte sich dabei im folgenden Zitat: „Ein besonderes Lob für den Einsatz und die Professionalität eurer Schüler. Das zeigt, dass praktische Arbeit den Unterricht nicht nur ergänzt. Sie ist meines Erachtens gleichwertig und gleich wichtig. Ich habe die Präsentationen sehr genossen.“  Da die Anerkennung gegenseitig ist, bleibt zu hoffen, dass diese Art von Zusammenarbeit in Zukunft noch intensiviert werden kann. Der Wunsch auf Seiten der Besucher, solch eine gemeinsame Veranstaltung zu wiederholen, wurde gleich mehrfach geäußert. Familie Gohn brachte den Schülern um 17 Uhr dreißig Pizzen, und mit dem stets vorhandenen Tee, der (auch wenn astro-unfreundlichen) ständig wärmenden Beleuchtung wurden alle Gedanken der Schüler an das miese Wetter verdrängt.

Parallel zu den Aktivitäten im Weideschuppen gab es im voll gefüllten Festzelt ein umfangreiches Vortragsprogramm. Nach der Vorstellung des Vereins ‚Schülerforschungszentrums Lörrach-Dreiländereck’ durch die Life Science-Fachbereichsleiterin Christiane Talke-Messerer präsentierten aktuelle und ehemalige phaenovum-Schüler astrophysikalische Themen wie Exoplanten, Sterne, Schwarze Löcher und Spektroskopie. Zum Abschluß dieser dreistündigen Vortragsreihe zeigte der Astrofotograf Achim Schaller in seinem Vortrag ‚Nightscapes’ anhand eindrucksvoller Aufnahmen, dass die Astronomie auch ein intensives Naturerlebnis darstellt. Großer Applaus auch von den Zuhörern, die, aus mangelndem Platz im Zelt, wacker im Regen verharrten.

Den Abschluß der gesamten Veranstaltung bildete um 21 Uhr, in einem nun hauptsächlich von Kindern und Jugendlichen gefüllten Zelt, eine Tombola, bei der etliche Astrobücher, Ferngläser und Teleskope verlost wurden.

Und das Aufräumen am nächsten Tag? Das fand natürlich bei schönstem Gersbacher Wetter statt. Dank tollem ae-Teamspirit (durch die Mithilfe der Fachbereichsleiterinnen Christane und Renate auch fast über alle Fachbereiche hinweg) konnten am So-Morgen innerhalb weniger Stunden alle drei Veranstaltungsbereiche aufgeräumt und sämtliches Material (Stehtische, Stühle, Planen, Audioanlage, Bühnenelemente, Zelte, Demoexperimente, Mülleimer,…) wieder ins Tal nach Lörrach gebracht werden.

Presse: Artikel in der Badischen Zeitung vom 2.11.21, Artikel in der Oberbadischen Zeitung vom 2.11.21