First Light der größten Digitalkamera aller Zeiten
Nein, sie wird nicht in unserer Sternwarte in Gersbach installiert – ihr Einsatzort liegt 11 000 km weiter südlich auf dem Cerro Pachón in Chile. Dort startet das Vera C. Rubin Observatorium am Montag, 23. Juni 2025, um 17 Uhr MESZ seine große Premiere: Bei der Online-Veranstaltung „Rubin First Look“ zeigt die weltweit größte Digitalkamera (3,2 Gigapixel!) ihre allerersten Aufnahmen des südlichen Sternenhimmels. Den Livestream zu diesem neuen Meilenstein in der Himmelsbeobachtung findet man unter https://www.youtube.com/watch?v=4vaXMaQQGEg

Warum dieses Observatorium besonders ist:
Revolutionärer Zehnjahres‑Film des Universums: Rubin wird den gesamten Südhimmel im Rahmen des Legacy Survey of Space and Time (LSST) 10 Jahre lang beobachten und jeden Bereich des Himmels 800‑mal abscannen. Aus täglich 20 Terabyte Rohdaten entsteht der bisher tiefste und schnellste Zeitraffer des Kosmos. Man kann veränderliche Objekte wie Supernovae, Asteroiden, Quasare und Gravitationslinsen in „Echtzeit“ mitverfolgen. Bewegungen, Explosionen und Veränderungen am Himmel werden so wie in einem Film sichtbar – das gab es in dieser Detailtiefe noch nie.
Rekord‑Instrumente: Das Simonyi Survey Telescope – benannt nach Charles Simonyi, einem der wichtigsten Geldgeber mit Spenden in Millionenhöhe – besitzt einen Hauptspiegeldurchmesser von 8,4 Metern. Bei einer Brennweite von 10,3 Metern ergibt sich ein extrem lichtstarkes Öffnungsverhältnis von f/1,2. Das Rubin-Teleskop sammelt damit etwa 1760-mal mehr Licht als ein 8-Zoll-Teleskop! Das gesammelte Licht wird in die größte jemals gebaute Astronomiekamera gelenkt: 3,2 Gigapixel Auflösung, Sensor-Durchmesser 64 cm, Sichtfeld: 10 Quadratgrad – das entspricht der Fläche von 45 Vollmonden auf einem einzigen Bild. Ein einziges Foto belegt so viel Fläche wie 400 Ultra-HD-Fernseher. Zum Vergleich: Eine moderne Amateur-Astrokamera hat eine Sensordiagonale von etwa 2–4 cm und etwa 16–26 Megapixel. Am CDK 17″-Teleskop der Sternwarte reicht bei einer solchen Amateuerkamera das Sichtfeld gerade aus, um einen Vollmond in der horizontalen Bildrichtung vollständig abzubilden. Im Vergleich zu diesen Weitwinkel-Eigenschaften des Rubin-Observatoriums ist damit ein Amateurteleskop eher wie eine Lupe für einzelne Objekte.
Höchste Agilität: Trotz seiner enormen Größe (das Gesamtgewicht beträgt ca. 300 Tonnen) ist das Vera Rubin Observatory extrem beweglich. Das Teleskop kann in wenigen Sekunden von einem Himmelsausschnitt zum nächsten schwenken, einschließlich der exakten Neuausrichtung. Alle 30 Sekunden entsteht so in neues Bild – das schließt Bewegung, Positionierung, Belichtung, Auslesen und ggf. Filterwechsel ein. So kann das komplette Gebiet, das das Sternbild Orion am Himmel einnimmt, mit diesem Teleskop in 21 Minuten vollständig durch aufeinanderfolgende Aufnahmen erfasst werden.
Einige Informationen zu den wissenschaftlichen Schwerpunkten dieses Teleskops:
1. Dunkle Materie & Dunkle Energie: Die Dunkle Materie ist nach wie vor eines der größten Rätsel der Astronomie. Wir wissen nicht, woraus sie besteht, aber wir erkennen ihre Schwerkraftwirkung – etwa in der linsenartigen Verzerrung des Lichts ferner Galaxien (schwache Gravitationslinsen) oder in den Bewegungen von Sternen in Galaxien. Rubin misst Millionen solcher Verzerrungen. Daraus lässt sich die Verteilung Dunkler Materie im Kosmos rekonstruieren. Zudem kann Rubin prüfen, ob alternative Gravitationstheorien (z. B. MOND) oder Modelle mit exotischen Teilchen mit den Beobachtungen vereinbar sind. Die „Dunkle Energie“ beschreibt eine bislang unbekannte Form von Energie, die die Expansion des Universums beschleunigt. Rubin entdeckt und beobachtet unter anderem Millionen Supernovae vom Typ Ia, die als Standardkerzen zur Entfernungsbestimmung dienen. Damit lässt sich die Expansionsgeschichte des Universums präzise nachvollziehen.

2. Inventar des Sonnensystems:
Rubin wird Millionen kleiner Objekte im Sonnensystem beobachten, darunter erdnahe Asteroiden (NEOs) und Hauptgürtelasteroiden. Dazu scannt das Teleskop den Himmel alle paar Nächte mit jeweils zwei aufeinanderfolgenden 15-Sekunden-Aufnahmen und erreicht dabei eine Grenzgröße von bis zu 25 mag. Durch wiederholte Sichtungen – insgesamt rund 1000 Bilder pro Himmelsposition über einen Zeitraum von zehn Jahren – lassen sich die Bahnen vieler NEOs mit hoher Genauigkeit bestimmen.

3. Veränderungen am Himmel: Der Himmel ist nicht statisch – viele Himmelsobjekte verändern sich im Laufe der Zeit, etwa durch Explosionen, Bewegungen oder plötzliche Helligkeitsschwankungen. Das Rubin-Observatorium analysiert seine Daten nahezu in Echtzeit. Wenn dabei etwas Unerwartetes geschieht, z. B. das plötzliche Auftauchen einer Nova, wird innerhalb von 60 Sekunden nach der Aufnahme automatisch eine Warnmeldung („Alert“) an die Fachwelt gesendet. Auch neue oder ungewöhnlich helle Kometen werden frühzeitig erkannt und verfolgt.

4. Milchstraßen‑Archäologie: Als Erweiterung der GAIA-Messungen wird Rubin präzise Sternpositionen und Eigenbewegungen bis in die Außenbezirke des galaktischen Halos erfassen. Der Halo ist der riesige, sphärische Bereich um die Milchstraße, in dem sich uralte Sterne, Kugelsternhaufen und Dunkle Materie befinden. Besonders die äußeren Bereiche sind wissenschaftlich interessant, da sie Hinweise auf frühere Galaxienverschmelzungen enthalten. Rubin kann Sterne bis zu einer Helligkeit von 24–25 mag vermessen – also etwa 100-mal lichtschwächere Sterne als Gaia.

Abschließend noch zwei Links zu kurzen Beschreibungen der Namensgeberin für dieses Teleskops, der Astronomin Vera Rubin: file:///C:/Users/klein/Downloads/suw_2022_5_S93.pdf und https://www.wissenschaftsjahr.de/2023/mitmachen/frauen-kosmos-inspiration/vera-rubin
